Wertschöpfungsketten nachhaltiger machen – aber wie? Der Fall Palmöl

Die Produktion von wichtigen Agrarrohstoffen kollidiert oft mit den Anliegen für eine nachhaltige Entwicklung. Einer der kritischen Fälle ist das Palmöl. Ob der Frage «Können, sollen oder müssen wir auf Palmöl verzichten?», scheiden sich die Geister – auch in ökologischen Kreisen. Antworten auf zehn häufig gestellte Fragen sowie einige mögliche Lösungsansätze rund um die Ölsaat aus den Tropen.

Früchte der Ölpalmen. Foto: shutterstock.com/KYTan


Albrecht Ehrensperger, Gaby Allheilig

Warum ist Palmöl so wichtig?

Palmöl ist das meistverwendete Pflanzenöl der Welt. Sein Weltmarktanteil liegt bei 40 Prozent. Die Gründe für den Boom der letzten Jahre: Palmöl weist wertvolle Eigenschaften für zahlreiche Produkte auf wie Hitzebeständigkeit, Geschmacksneutralität und lange Haltbarkeit. Mindestens ebenso wichtig ist aber, dass Ölpalmen sehr hohe Erträge pro Hektar erzielen. Je nach Anbautyp liefern sie 1 bis 4 t Öl pro Hektar, während Erdnüsse, Raps, Sonnenblumen und Sojabohnen auf lediglich 0,5 bis ungefähr 1,5 t/ha kommen.

Welches sind die gravierendsten ökologischen Auswirkungen der Palmölproduktion?

Ölpalmen wachsen nur in den tief gelegenen, feuchten Tropen und Subtropen – Regionen mit sehr wertvollen, sensiblen Ökosystemen. Vor allem in den Hauptanbaugebieten Indonesien und Malaysia, die rund 85 Prozent des Weltmarkts decken, ist die Palmölproduktion einer der Haupttreiber für die direkte und indirekte Rodung von Regenwäldern sowie die Trockenlegung bzw. das Abbrennen von Torfmooren. Die Folgen davon sind enorme Treibhausgas-Emissionen; weitere hohe Methanemissionen kommen aus den Abwässern der Palmöl-Mühlen hinzu. Indonesien ist daher einer der weltweit grössten Emittenten von Treibhausgasen. Da der Sektor auf grosse Mengen und industriellen Anbau setzt, zerstören die Ölpalmplantagen zudem die Lebensgrundlage von sehr vielen Tier- und Pflanzenarten: 37 Prozent des gesamten Artenverlusts, den Ölpflanzen weltweit verursachen, gehen auf das Konto von Palmöl. Ferner sind die Bodenerosion, der hohe Pestizideinsatz sowie die Verschmutzung von Luft und Wasser Probleme, die mit dem Anbau in Monokulturen – nicht nur von Ölpalmen – einhergehen.

Kann man Palmöl durch nachhaltigere Pflanzenöle ersetzen?

Mit Blick auf den massiven zusätzlichen Landverbrauch, den das zur Folge hätte, um auf dieselbe Menge an Pflanzenöl zu kommen, aber auch punkto den spezifischen Eigenschaften von Palmöl kann derzeit keine der anderen Ölsaaten Palmöl vollständig ersetzen. Dafür bräuchte es eine sehr deutliche Abnahme des Konsums von pflanzlichen Fetten für Nahrungsmittel, Kosmetika und Biotreibstoffe. Zudem könnte eine Verlagerung auf andere Ölpflanzen ähnliche Probleme nach sich ziehen.  Wichtiger als der Verzicht auf die eine oder andere Ölsaat ist es daher, das Augenmerk auf eine markant nachhaltigere Produktion dieser Rohstoffe zu legen. Denn «Frei von…» heisst noch lange nicht, dass ein Produkt nachhaltig hergestellt ist.

Warum halten die Produktionsländer angesichts der Probleme am Palmöl fest?

Für die Hauptanbaugebiete Indonesien und Malaysia ist das Öl ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Potenziell kann der Sektor auch für Kleinbauern und die ländliche Entwicklung eine interessante Rolle spielen, wenn er menschenwürdige Arbeitsplätze schafft und neue Infrastruktur entsteht – etwa im Bildungs- und Gesundheitswesen. Doch gerade in den grossen Anbaugebieten Südostasiens gefährdet der Palmölsektor noch immer die Lebensgrundlage der indigenen Bevölkerung. Wie im tropischen Plantagenanbau oft der Fall, kommen Menschenrechtsverletzungen, Kinderarbeit und –  vor allem für Frauen – äusserst schlechte Arbeitsbedingungen hinzu.

Letztlich entscheidet der politische Wille im Herkunftsland, aber auch die Entscheidträger*innen entlang der ganzen Wertschöpfungskette, ob die Produktion von Palmöl – wie von anderen Agrarprodukten auch – nachhaltig ist oder nicht. Dabei gibt es grosse Unterschiede zwischen Ländern und manchmal sogar innerhalb desselben Landes.

Produzieren Kleinbauern «saubereres» Palmöl als Plantagen?

Kleinbauern und -bäuerinnen nutzen ihr Land in der Regel nicht nur für den Anbau von Ölpalmen. Deshalb weisen ihre Betriebe meistens mehr Nischen für verschiedene Arten auf. Das Risiko ist jedoch, dass sie wegen mangelnder Ausbildung Chemikalien unsachgerecht anwenden. Sowohl aus sozialen wie ökologischen Gründen sollte es Ziel jeder Nachhaltigkeitsstrategie sein, den Anteil kleinbäuerlicher Betriebe zu fördern, sie einzubeziehen, auszubilden und stärker zu unterstützen – sowohl technisch wie juristisch. Letzteres, um beispielsweise ihre Position punkto Land- und Arbeitsrechte zu stärken.

Ist zertifiziertes Palmöl eine Alternative?

Eine Studie des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) hat gezeigt, dass eine Bio- und Fair-Trade-Zertifizierung kombiniert mit der  Zertifizierung des Round Table on Sustainable Palm Oil (RSPO) zu einer wesentlich besseren Nachhaltigkeitsbilanz führt. Die untersuchten nachhaltig bewirtschafteten Ölpalmenplantagen schnitten besser ab als andere Produktionssysteme. Allerdings bezog sich die Studie auf Ghana, Madagaskar, die Elfenbeinküste, Brasilien und Kolumbien und nicht auf Indonesien und Malaysia. Laut dem Bericht des FiBL erwies sich in den untersuchten Gebieten die direkte Abholzung für den Palmölanbau nur in Brasilien als kritisch. Dennoch kommen auch die FiBL-Autoren zum Schluss, dass selbst zertifizierte Unternehmen punkto Treibhausgas-Emissionen, Artenvielfalt und Bodenerosion noch erheblichen Verbesserungsbedarf haben.

Welches sind die wichtigsten Ansatzpunkte, um bestehende Palmölplantagen nachhaltiger zu machen?

Einer der wichtigsten Hebel ist die forcierte Umstellung der Plantagen auf eine ökologische Produktion. Das heisst, den Einsatz von Mineraldüngern und Herbiziden zu verbieten, die Bodenerosion mit geeigneten Massnahmen zu stoppen sowie auf den Feldern eine grössere Vielfalt zu fördern. Ausserdem liesse sich einiges gewinnen, wenn die Ölmühlen technisch verbessert würden, um die Abwässer zu entlasten – und wenn die Reststoffe wieder in den Kreislauf eingespeist würden, sei es via Kompost oder Biogasanlagen. Für das alles braucht es technische Beratung und Investitionen.

Da der Anteil von ökologisch erzeugtem (Bio-)Palmöl vor allem in Südostasien noch marginal ist, sind zusätzliche Massnahmen in der Wertschöpfungskette wichtig, die sowohl ökologische als auch soziale Kriterien, wie die oben erwähnten, einbeziehen. Um solche Prozesse effektiv anzustossen, müssten neue Marktkanäle unterstützt und Preisverzerrungen beseitigt werden, etwa über eine Reduktion der Handelsbarrieren für nachhaltiges Palmöl. Denn gegenwärtig erhebt die Schweiz gleich hohe Zölle auf zertifiziertes und konventionelles Palmöl. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist es positiv, die Importzölle zu differenzieren – und so nachhaltig produziertes Palmöl gegenüber dem konventionellen vorzuziehen –, wenn gleichzeitig der Umstellungsprozess unterstützt wird.

Wie können Artenverlust und Treibhausgasemissionen verringert werden?

Zertifizierte Plantagen sind wichtig. Doch Probleme dieser Grössenordnung erfordern weitere und umfassendere Massnahmen, da sie die Folge von Landnutzungsänderungen ganzer Regionen sind. Ein innovatives Modell, das auf dieser Ebene ansetzt, ist das der sogenannten Verified Sourcing Areas. Es fördert innerhalb einer Region die direkte Zusammenarbeit von Käufer*innen von Agrarrohstoffen und Koalitionen lokaler Akteure. Sie alle verpflichten sich auf freiwilliger Basis, sich unter anderem dafür zu engagieren, Wälder und Torfgebiete zu schützen und die Armut in den Produktionsgebieten zu bekämpfen. Ausserdem sind zusätzliche Massnahmen auf Gesetzesebene eine Möglichkeit, um Verbesserungen zu erzielen – vorausgesetzt, dass die Regulationen tatsächlich umgesetzt und ihre Einhaltung kontrolliert werden.

Was können importierende Länder wie die Schweiz tun?

Generell muss es das Ziel sein, Wertschöpfungsketten und Märkte für zertifizierte Agrarrohstoffe aufzubauen, die nicht nur auf dem Etikett nachhaltig sind. Dafür braucht es Handelsabkommen, die sinnvolle und überprüfbare Nachhaltigkeitskriterien beinhalten. Für Länder, mit denen es keine entsprechenden Abkommen gibt, sollten Branchenlösungen angestrebt werden. Neben Marktanreizen sind Anpassungen von Wertschöpfungsketten, Importkanälen und Zertifizierungssystemen nötig. All diese Massnahmen gilt es, mit entsprechenden Investitionen, Förderprogrammen und der Entwicklungszusammenarbeit zu verbinden. Last but not least bedingt dies auch, dass importierende Länder ihre eigene Politik über die verschiedenen Sektoren hinweg kohärent gestalten.

Was kann die Wissenschaft zu einer nachhaltigeren Palmölproduktion beitragen?

Das geht von der Entwicklung geeigneter Prozesse und Monitoringsysteme über die Optimierung neuer Anbausysteme wie Palmöl-Agroforstwirtschaft bis hin zu technologischen Innovationen, die mittelfristig eine Reduktion der Palmölproduktion ermöglichen. Einer der wesentlichsten Punkte ist jedoch: Die Palmölindustrie könnte künftig in grossem Stil nach Afrika und Lateinamerika expandieren und dort bis zu 270 Millionen Hektar an Biodiversitäts-Hotspots und zahlreiche Arten gefährden. Deshalb ist es unabdingbar, solche Entwicklungen besser vorhersehen zu können und nützliche Daten und Tools bereitzustellen, um Expansionspläne von vornherein in nachhaltige Bahnen zu lenken.

Volksabstimmung Schweiz zum Handelsabkommen mit Indonesien

Im Hinblick auf die Volksabstimmung vom 7. März 2021 publiziert das CDE in loser Folge Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse zu Palmöl. Dabei beleuchten wir Fragen rund um das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven.