Mit Generationen-Tandems zu einer besseren Wissenschaftskultur

Ältere Mitarbeitende verfügen meist über sehr viel Know-how im Wissenschaftsbetrieb und wichtige Netzwerke. Mit ihrer Pensionierung gehen diese häufig verloren. Jüngere Wissenschaftler*innen dagegen haben nicht selten einen Vorsprung bei den neusten Methoden- und Kommunikations-Kompetenzen. Wie sich der Wissens-Transfer zwischen den Generationen für beide Seiten gewinnbringend gestalten lässt, hat eine Gruppe am CDE ausprobiert: Nachwuchsforschende und Wissenschaftler*innen mit langer Erfahrung lernen voneinander im Tandem. Jetzt haben sie dafür den Gleichstellungspreis «Prix Lux» der Universität Bern erhalten.

Haben den Gleichstellungspreis «Prix Lux» der Universität Bern erhalten. Urs Balsiger, Heino Meessen, Lilian Trechsel, CDE. Foto: Luisa Jakob


Gaby Allheilig

«Die Pensionierung stellt für so manche eine Guillotine dar: Man hat jahrelang intensiv Aufbauarbeit geleistet – und dann wird dieses Wissen von einem Tag auf den anderen scheinbar nicht mehr gebraucht. Das kann sehr frustrierend sein», sagt Urs Balsiger, Leiter Finanzen und Personal am CDE. Zudem liesse sich dieser Know-how-Verlust für einen Betrieb oft nur mit hohem Aufwand kompensieren. Gleichzeitig müssen sich Nachwuchsforschende erst zahlreiche nicht-wissenschaftliche Kompetenzen aneignen und ein funktionierendes Beziehungsnetzwerk aufbauen.

Generationen übergreifendes Tandem zum Wissens-Transfer

Warum also nicht eine Win-win-Situation schaffen? Innerhalb eines Konzepts für Gleichstellung, Chancengleichheit, Diversity und Karriereförderung von Nachwuchs-Wissenschaftler*innen entstand am CDE so unter anderem die Idee eines generationenübergreifenden Tandems. «2015 haben wir damit gestartet», erinnert sich die 36-jährige Lilian Trechsel, die am CDE als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig ist. Den Austausch mit ihrem älteren Kollegen empfindet sie als sehr hilfreich: «Ich konnte bei einer Eingabe für ein EU-Projekt wertvolle Akquisitions-Erfahrung sammeln und hatte Einblick in die Projekte einer mir bisher unbekannten Region. Ausserdem habe ich durch die Skype-Meetings, die mein Tandem-Partner organisierte, erste Kontakte zu wichtigen Kooperationspartnern in Zentralasien geknüpft.»

«Die Chemie muss stimmen»

Umgekehrt, so ihr Tandem-Gefährte Heino Meessen, der 63-jährige Osteuropa-Spezialist am CDE, habe er sein Wissen im Umgang mit Tools für einen modernen Unterricht erweitert. «Ich habe von Lilian auch einiges punkto visueller Kommunikation – etwa der Gestaltung von Präsentationen mitbekommen», fügt er schmunzelnd an. Bereichernd ist ein solches Tandem aus Sicht der beiden nicht zuletzt, weil «zwei Personen mit unterschiedlichen Lebensläufen, beruflichen Erfahrungen und Alter ausserhalb eines bestimmten Projekts und der ‘Hierarchie’ voneinander lernen können», wie es Lilian Trechsel formuliert. «Wichtig dabei ist, dass die Chemie stimmt.» Das war bei den beiden relativ einfach: «Sowohl Lilian wie ich begeistern uns für Berge, und die Wellenlänge stimmt auch sonst», so Heino Meessen. Zudem würden sie beide Teilzeit arbeiten und die Lebenseinstellung «Arbeit und Familie kompatibel machen» teilen.

Lilian Trechsel, Urs Balsiger und Heino Meessen. Foto: Cornelia Hett


Voraussetzung für das Tandem war allerdings, dass die CDE-interne Arbeitsgruppe «Gleichstellung und Laufbahnentwicklung» den Rahmen dazu schuf und der Arbeitgeber mit am Strick zog: CDE und die Abteilung für die Gleichstellung von Frauen und Männern an der Universität Bern unterstützten das Vorhaben. «Der Prix Lux dürfte dem Modell nun weiteren Schub geben», hofft Heino Meessen.

Das Modell schärfen und institutionell verankern

An Ideen, den Wissensaustausch zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitenden institutionell zu verankern, mangelt es den Beteiligten nicht. Neben dem bereits erprobten Tandem, bei dem das gegenseitige Lernen zum Tragen kommt, schwebt ihnen zudem die Möglichkeit einer Altersteilzeit vor. «So könnten ältere Mitarbeitende einige Jahre vor ihrer Pension ihr Arbeitspensum reduzieren. Im Gegenzug würden sie nach dem offiziellen Pensionsalter noch zwei bis drei Jahre zu einem kleinen Prozentsatz arbeiten und diese Zeit gezielt für den Know-how-Transfer einsetzen», meint Urs Balsiger. Damit liessen sich gleich mehrere Fliegen auf einen Streich schlagen: «Man würde die Gelegenheit zu einem fliessenden Übergang in den Ruhestand schaffen, das Wissen in der Institution erhalten, zur Nachwuchsförderung beitragen – und auch Wertschätzung geben.» Machbar sei dies jedoch nur, wenn es auf Freiwilligkeit beruhe, zumal es nicht um die Erhöhung des Pensionsalters gehe.

Lilian Trechsel sieht zudem die Chance, dass sich damit erfahrene Kolleg*innen mehr Zeit für solche Tandems nehmen könnten. Denn: «Ebenso wichtig wie neue Ideen zu entwickeln, ist es, dass im Arbeitsalltag bewusst mehr Raum geschaffen wird, um Wissen und Erfahrungen zu teilen und weiterzugeben.»

Idee soll Schule machen

Welches Modell auch immer es ist: «Ohne Unterstützung des Arbeitgebers geht es nicht», sind sich die drei einig. Deshalb regt Urs Balsiger an, «dass Personalabteilungen und -vertretende gemeinsam überlegen, wie sich so etwas ausgestalten lässt.»

Erfreulich fänden es die Beteiligten, wenn die Idee Schule machen würde – nicht nur am CDE und der Universität Bern. «Ich könnte mir vorstellen, dass es auch für unsere Partner interessant wäre, wenn die verschiedenen Generationen von Wissenschaftlern*innen mit ihren unterschiedlichen Kompetenzen voneinander profitieren könnten», meint Heino Meessen. Idee kopieren also erwünscht.

Prix Lux

Der Prix Lux ist der Gleichstellungspreis der Universität Bern. Er wurde erstmals 2017 vergeben. Prämiert werden Personen und Einheiten der Universität Bern, die sich für Chancengleichheit und Gleichstellung engagieren. Das Projekt des CDE wurde vor allem wegen seiner «Originalität und dem Transferpotenzial» ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand am 30. November an der Universität Bern statt.

Gleichstellung am CDE

Eine CDE-interne Personalvertretung setzt sich für die Gleichstellung und Laufbahnentwicklung der Mitarbeitenden ein. Mit ihrer Unterstützung wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Massnahmen realisiert, so etwa die Finanzierung von Weiterbildungen und wissenschaftlicher Karriere-Förderung oder Coachings von Nachwuchswissenschaftler*innen bei deren Publikationen. Künftig sollen zusätzlich Workshops zu verschiedenen Diversity-Themen angeboten werden.