Das heisst, traditionelle religiöse Vorstellungen und Werte beeinflussen den Zustand der Wälder?
Ja, aber nicht überall in gleichem Masse. Auch Unzugänglichkeit und Abgeschiedenheit können menschliche Störungen verringern. Zudem haben wir einen weiteren Wald untersucht, der teilweise heilig und trotzdem stark degradiert ist. Dort gibt es Unklarheiten über die Besitzverhältnisse, was möglicherweise ein Grund für die menschlichen Eingriffe ist.
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«Im den traditionellen westafrikanischen Systemen gehört das Land meistens der Gemeinschaft»
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Wie das?
In Westafrika gibt es drei verschiedene Systeme von Landrechten, die sich teilweise überlappen. In den traditionellen westafrikanischen Systemen gehört Land meistens keiner Person oder Familie, sondern der Gemeinschaft. Diese kann Nutzungsrechte vergeben. Im Zuge der Kolonialisierung Westafrikas durch Grossbritannien und Frankreich hielt der individuelle Landbesitz Einzug. Nach Ende der Kolonialherrschaft haben die westafrikanischen Länder das britische bzw. französische Rechtssystem mit Anpassungen übernommen. Weil aber das traditionelle Recht – je nach Region und in unterschiedlichem Grad – immer noch eine Rolle spielt, kann es zu Mischformen kommen. Das kann zu Unklarheiten führen, die es ermöglichen, dass Einzelne die Regeln in ihrem eigenen Interesse auslegen.
Neben den Auswirkungen für die Umwelt haben Sie in Ihrer Forschung auch die Relevanz der Waldfragmente für die lokalen Lebensbedingungen unter die Lupe genommen. Können solch kleine Wälder tatsächlich wesentlich zu den Lebensgrundlagen beitragen?
Ja, denn sie liefern der lokalen Bevölkerung Nahrung. Neben Früchten, Wildfleisch, Fisch oder Muscheln sind auch bestimmte Gemüse zu nennen wie Afang (Gnetum africanum), Gewürze wie der westafrikanische Schwarzpfeffer (Piper guineense) oder Heilpflanzen wie das grossblättrige Mahagoni (Khaya grandifoliola) oder das senegalesische Mahagoni (Khaya senegalensis). Dieses wird gegen Malaria, bakterielle Infektionen, etc. eingesetzt. Manche dieser Produkte gedeihen nur an bestimmten Orten im Wald und können entsprechend nur dort gesammelt werden. Sie sind ein wichtiger Bestandteil der lokalen Ernährung und medizinischen Versorgung.
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«Die lokalen Bewirtschaftungsformen müssen anerkannt und unterstützt werden»
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Im Februar haben Sie eine Konferenz zu den bisherigen Forschungsresultaten organisiert. Daran haben auch Botschaftsvertrer*innen zweier Länder, in denen Sie Waldfragmente untersucht haben, teilgenommen. Welche politische Bedeutung hat das Projekt für diese Staaten?
Wenn über Wälder und Waldrodung gesprochen wird, interessiert das die Behörden. Denn die Thematik steht auch in Zusammenhang mit Agrargütern wie Kakao, Kautschuk oder Palmöl, die exportiert werden. Und mit der neuen EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte ist sie hochaktuell. Unsere Ergebnisse sind für die Behörden auch nützlich, weil sie die Herausforderungen veranschaulichen, die mit den Beziehungen zwischen Landwirtschaft und Wald einhergehen.
Es wäre wünschenswert, wenn die Behörden die Resultate unserer Forschung verwenden könnten, um gemeinsam mit den lokalen Bevölkerungen nachhaltige Wege zur Nutzung dieser Wälder auszuhandeln.
Was ist gemäss Ihren Erkenntnissen die wichtigste politische Stossrichtung in diesen Ländern, damit die Waldfragmente erhalten bleiben und nachhaltig genutzt werden?
Die Anerkennung und Unterstützung der verschiedenen lokalen Bewirtschaftungsformen. Unsere Forschung hat klar gezeigt, dass Wälder dort, wo es intakte lokale Institutionen gibt, in einem besseren Zustand sind als dort, wo sie fehlen. Die Wälder sind ja nicht aus Naturschutz- sondern aus kulturellen Gründen gut erhalten. Hier müsste man also die lokalen Bevölkerungen in ihren Traditionen stärken und als ebenbürtige Partner betrachten. Das sehen internationale Organisationen wie die Weltnaturschutz-Union IUCN gleich; nur bei den Regierungen ist das leider noch nicht überall angekommen.
Lassen sich Ihre Forschungsergebnisse auch auf andere Regionen übertragen?
Für den restlichen Teil Westafrikas können die Resultate ebenfalls relevant sein. Überdies lassen die sich von uns angewendeten Forschungsmethoden teilweise auf Kleinwälder in anderen Regionen der Welt übertragen.