Forschungspartnerschaft Schweiz-Äthiopien bringt Wissen aufs Feld

Im Jahr 2030 werden über 40 Prozent der Weltbevölkerung in Gebieten leben, die unter starker Wasserknappheit leiden. Wasser – seine Qualität und Verfügbarkeit – gilt entsprechend als eine der grössten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Eng damit verbunden: der Wandel in der Landnutzung und die Beeinträchtigung der Umwelt. Wie sich Wasser und Land auch bei einer rasanten Bevölkerungsentwicklung nachhaltig nutzen lassen, zeigen die Resultate einer langjährigen Forschungspartnerschaft Schweiz-Äthiopien im Einzugsgebiet des Blauen Nil.

Gemeinschaftliche Hang-Terrassierung im Einzugsgebiet des Blauen Nil. Foto: Gete Zeleke


Gaby Allheilig

Die trockenen Zahlen sagen viel: Die Wirtschaft Äthiopiens verzeichnete zwischen 2004 und 2017 steile Wachstumsraten – im Schnitt über zehn Prozent pro Jahr. Damit zählt das Land weltweit zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften. Trotzdem ist der Agrarstaat eines der ärmsten Länder. Und mit einem Bevölkerungswachstum von jährlich 2,5 bis 3 Prozent – zwei bis drei Millionen Menschen – dürfte Äthiopien 2050 voraussichtlich zu den zehn bevölkerungsreichsten Staaten der Welt gehören.

Der Boom hat seinen Preis: sozial, wirtschaftlich und ökologisch. Eine der wichtigsten Herausforderungen ist das Wasser, das oft knapp ist oder in sintflutartigen Regenfällen niedergeht. Diese sorgen für eine hohe Bodenerosion, die durch nicht nachhaltiges Landmanagement – vor allem durch die Übernutzung der Böden – begünstigt wird.

Das Einzugsgebiet des Blauen Nil in Äthiopien. Quelle: WLRC


Erosion – die Spirale nach unten

Davon besonders betroffen ist das Einzugsgebiet des Blauen Nil. Im Hochland zwischen 1500 und 3000 Metern kommt es regelmässig zu Erosionsrinnen und zum Verlust fruchtbarer Böden. Die Folgen davon: Einerseits nimmt die Sedimentsfracht so zu, dass sie die Wasserkraftwerke und Staudämme am Unterlauf des Blauen Nil gefährden. Andererseits sinken die Landwirtschaftserträge. Das wiederum führt zu einer weiteren Ausdehnung der Agrarflächen in Wälder, Grasland sowie in wichtige Feuchtgebiete, und beeinträchtigt diese Ökosysteme schwer. Ein Teufelskreis, der zahlreiche Konflikte – auch mit Anrainerstaaten – nach sich ziehen kann.

Ein häufiger Anblick: Grabenerosion im Einzugsgebiet des Blauen Nil. Foto: Gete Zeleke
Abgetragene Sedimente gut sichtbar: Fälle des Blauen Nil. Foto: Gete Zeleke


Innovationen – Schritt für Schritt

«Um die Probleme zu lösen, braucht es Innovationen, die lokal angepasst und nachhaltig sind – gerade in der Nahrungsmittelproduktion und Wassernutzung», unterstreicht Isabelle Providoli, Projektkoordinatorin am CDE.

Gemeinsam mit äthiopischen Partnern haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom CDE seit 1981 nach solchen Wegen gesucht – und Schritt für Schritt gefunden: Nach dem Aufbau eines meteorologischen und hydro-sedimentologischen Monitoringsystems im Einzugsgebiet des Blauen Nil wurden diese Daten – ergänzt mit Geodaten und sozio-ökonomischen Angaben – aufbereitet und laufend aktualisiert. Dieses «Paket» steht seit 2013 in Form einer Online-Plattform interessierten Kreisen offen, ergänzt von massgeschneiderten Informationsprodukten für die unterschiedlichen Akteure.

Interessensgruppen aus verschiedenen Sektoren gestärkt

Mithilfe partizipativer Prozesse, dem Einbezug von Interessensgruppen aus verschiedenen Sektoren und Bevölkerungsgruppen sowie einem entsprechenden Capacity-Building entstanden im Projekt zahlreiche zukunftsweisende Vorschläge und Ideen: Neue Praktiken des Land- und Wassermanagements wurden eingeführt, mit traditionellem Wissen kombiniert und sechs so genannte «Learning Watersheds» eingerichtet. Das Ziel: die Lebensgrundlagen zu diversifizieren und gleichzeitig für gesunde Ökosysteme zu sorgen.

«Learning Watersheds» – der zentrale Baustein

Für Gete Zeleke, Leiter des 2011 entstandenen Forschungsinstituts Water & Land Resource Centre (WLRC) der Universität Addis Abeba, sind diese Wissens- und Schulungszentren für nachhaltiges Land- und Wassermanagement das A und O für den Erfolg des Ansatzes: «In den Learning Watersheds testen wir Best Practises für die Erhaltung der natürlichen Ressourcen, die landwirtschaftliche Produktion sowie die Verbesserung der Lebensgrundlagen. Wir führen regelmässig Erfahrungsaustausche mit und unter erfahrenen Bauern durch, um die Methoden, gerade auch die landwirtschaftlichen, weiter zu optimieren und zu verbreiten. Dabei beziehen wir alle wichtigen Interessensgruppen mit ein und machen sie zu aktiven Beteiligten: Landnutzende, lokale Gemeinschaftsorganisationen, landwirtschaftliche Berater, Forschende und politische Entscheidungsträger.» So fliesst dieses Wissen für das Land- und Wassermanagement in Verhandlungen, Planungsprozesse, deren Umsetzung und in Konfliktlösungen ein.

Vorher-Nachher-Vergleich: Degradiertes Land wurde rehabilitiert. Photos: Gete Zeleke


Die Learning Watersheds führen anschaulich vor Augen, wie sich die Bodenerosion mit angepassten Massnahmen eindämmen und Böden sogar wieder aufwerten lassen. So etwa im Zentrum von Debre Yakob: Innerhalb von drei Jahren wurden hier tiefe Erosionsgräben und degradierte Hänge wieder rehabilitiert.

Diversifizierte Landwirtschaft – neue Perspektiven

Die Massnahmen haben sich auf Böden, Umwelt und Verfügbarkeit von Wasser positiv ausgewirkt. Der Bevölkerung, die grossmehrheitlich von der traditionellen Subsistenzlandwirtschaft lebt, hat diese Entwicklung neue Perspektiven eröffnet. «Wird das Wassereinzugsgebiet sachgemäss gemanagt, können die Bauern auf ihrem Land nicht nur die Erträge wieder steigern, sondern auch die landwirtschaftlichen Produkte diversifizieren», erläutert Isabelle Providoli.

(Inter-)nationale Anstrengungen – 7,7 Mio. Hektar Land rehabilitiert

Das Wissen, wie sich die Situation im äthiopischen Hochland verbessern lässt, hat seine Kreise gezogen. Hunderte von Studierenden, Wissenschaftler_innen und Leuten aus der Praxis wurden entsprechend aus- und weitergebildet.

Auch internationale Geber wie das Welternährungsprogramm der UNO, die Weltbank, die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit der Schweiz (DEZA), die norwegische Regierung und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zeigten sich interessiert und haben umfangreich in das Management von äthiopischen Wassereinzugsgebieten investiert. Resultat: die boden- und wasserkonservierenden Massnahmen decken inzwischen rund 7,7 Mio. Hektar im äthiopischen Hochland ab. Das entspricht 23 Prozent der Fläche, die wiederhergestellt werden müssen.

Urbanisierung stellt Landnutzung vor neue Herausforderungen: Addis Abeba. Foto: Gete Zeleke


Wasser- und Landmanagement – Herausforderungen bleiben komplex

Selbst wenn die gesamte Fläche rehabilitiert wäre, ist die Geschichte aber noch nicht zu Ende. «Eine Lektion, die wir punkto Wasser- und Landmanagement in all den Jahren gelernt haben: Es hört nicht auf», so Gete Zeleke. «Es tauchen immer komplexere und miteinander verflochtene Herausforderungen auf, für die wir nachhaltige Lösungen brauchen. » Ein Beispiel dafür sei etwa die Ausdehnung der Städte in umliegendes Landwirtschaftsland. «Das erfordert stets neue Forschungsansätze.»

Transformative Forschung – nachhaltige sozio-ökologische Landschaften gestalten

Über 30 Jahre Forschungspartnerschaft mit Äthiopien und Kenia

Das CDE unterhält seit über 30 Jahren in Ostafrika und dem Horn von Afrika Forschungspartnerschaften mit dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung. Eines der zentralen Projekte, das dieses Jahr seinen Abschluss fand, diente dem Aufbau eines nachhaltigen Managements der dortigen Wasser- und Bodenressourcen. Parallel dazu ging es auch darum, Landmanagementsysteme zu verbessern, Umweltdienstleistungen zu sichern und Konflikte um Wasser und Land in nationalen und transnationalen Flusseinzugsgebieten wirkungsvoller anzugehen. Sowohl in Äthiopien wie in Kenia wurden zusammen mit lokalen, nationalen und internationalen Partnern Lösungen getestet, weiterentwickelt und verbreitet, die auf die jeweils spezifische Situation vor Ort angepasst sind. Diese Ansätze stellen ein Modell für eine nachhaltige Entwicklung dar, das in der Publikation «Shaping Sustainable Socio-Ecological Landscapes in Africa: The Role of Transformative Research, Knowledge , and Partnerships» zusammengefasst ist.

Neuer EthioGIS Mapserver

Einfacher Zugang zu Geodaten und Informationen über Äthiopien

Das WLRC und CDE haben mit Unterstützung der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) eine webbasierte Open-Source-Plattform zur Verbreitung von Geodatenkarten und Informationen über Äthiopien entwickelt, den «EthioGIS-mapserver Ethiopia». Die Plattform stellt verbesserte Instrumente und Daten zur Entscheidungsunterstützung für Entwicklungsakteure, Regierungsbehörden, NGOs, internationale Organisationen und die Zivilgesellschaft bereit und kann als Grundlage für verschiedene Forschungsvorhaben dienen. Die Anwendung enthält drei wichtige webbasierte Dienste, die Folgendes ermöglichen: 1) Zugriff auf vorverarbeitete Karten, 2) Abbildung ausgewählter Informationsebenen mit einfachen Web-Mapping-Anwendungen je nach Benutzerpräferenz, 3) Download offener Geodaten.