Forschung führt zu nationaler Strategie gegen invasive Pflanze

Die Baumart Prosopis juliflora bedroht als gebietsfremde Art in Ostafrika Millionen Hektar Land. In einem siebenjährigen Projekt ist es einem internationalen Forschungsteam mit CDE-Beteiligung gelungen, Wege aus der Prosopis-Invasion aufzuzeigen. Ein Buch legt jetzt dar, wie wichtig das Zusammenspiel von Forschung, Umsetzung in der Praxis und politischen Prozessen dabei ist. Ein Interview mit Albrecht Ehrensperger, einem der Hauptautor*innen.

Albrecht Ehrensperger
«Erst wenn die negativen Folgen sichtbar werden, steigt das Bewusstsein für die Problematik»: Albrecht Ehrensperger. Foto: Manu Friederich


Interview: Gaby Allheilig

Prosopis juliflora wurde während und nach der Kolonialzeit in Ostafrika eingeführt – als Tierfutter, Holzquelle, zur Bodenstabilisierung und Wiederaufforstung. Das gut gemeinte «Experiment» ist massiv aus dem Ruder gelaufen: Die Baumart hat sich invasiv verbreitet und gefährdet ganze Ökosysteme. Wie schlimm ist es wirklich?

Als ich 2015 angefragt wurde, beim Forschungsprojekt Woody Weeds mitzuarbeiten, war ich zuerst skeptisch. Ich dachte: «Es gibt in Ostafrika doch dringendere Herausforderungen als Neophyten.» Als Geograph war ich mir der Dimension des Problems nicht bewusst. Aber die Realität hat mich schnell eines Besseren belehrt. So hat sich Prosopis juliflora, die in Ostafrika invasive Art der Gattung Prosopis, allein in der äthiopischen Afar-Region auf einer Fläche ausgebreitet, die etwa ein Viertel so gross ist wie die Schweiz. Jede dieser Pflanzen verbraucht durchschnittlich sieben Liter Wasser pro Tag. Hochgerechnet auf diese Region sind das jährlich drei Milliarden Kubikmeter.

________________________________________________________________________________

«Modelle zeigen, dass sich die Situation noch drastisch verschlimmern könnte»

________________________________________________________________________________

Es geht also vor allem um den Wasserverbrauch?

Nicht nur. Prosopis-Bäume haben bis zu 30 Meter lange Wurzeln. Ihr enormer Wasserverbrauch senkt den Grundwasserspiegel, wodurch andere Pflanzen verdrängt und die Biodiversität zerstört werden: Ab einem Bewuchs mit Prosopis juliflora von 60 Prozent ist nahezu keine Pflanzenvielfalt mehr vorhanden. Im Unterbezirk Marigat in Kenia etwa hat Prosopis zwischen 1988 und 2016 (siehe Animation) 40 Prozent des Verlusts von einheimischen Vachellia-Bäumen verursacht.

 

Und die Situation könnte sich noch drastisch verschlimmern: Modelle zeigen, dass die Prosopis-Invasion in Ostafrika in einem frühen Stadium ist. Rund die Hälfte von Tansania eignet sich für das Wachstum von Prosopis, und in Kenia sind es sogar drei Viertel der gesamten Landesfläche, also ungefähr 450՚000 von 580՚000 Quadratkilometern.

Das Forschungsprojekt hat auch sozio-ökonomischen Auswirkungen untersucht. Wo liegt da das Problem?

Die Invasion wirkt sich nicht auf alle Mitglieder einer Gemeinschaft gleich aus. Prosopis ist eine sogenannte «Konfliktpflanze»: Einige Gruppen, wie die Holzkohleproduzent*innen, profitieren von ihr und haben daher wenig Interesse, sie zu bekämpfen. Andere, allen voran die Pastoralisten, sind stark negativ betroffen. Prosopis bedroht ihre Lebensgrundlage, vor allem dann, wenn sie die wichtigen Trockenzeitweiden befällt. Aber auch Bäuerinnen und Bauern sind betroffen. In den kenianischen Bezirken Baringo und Tana River hat Prosopis wichtige bewässerte Ackerflächen befallen, auf denen nun viel Zeit und Energie aufgewendet werden muss, um die invasive Pflanze in Schach zu halten. Das schmälert die Produktivität.

Prosopis juliflora stammt aus Mittelamerika und dem nördlichen Südamerika. Ab Anfang des 20. Jahrhunderts haben Kolonialherren, Missionare, Tierärzte und Hilfsorganisationen die Pflanze für unterschiedliche Zwecke in semi-aride Gebiete in Ostafrika eingeführt, worauf sie sich unkontrolliert weiterverbreitet hat. Im Sudan sind aktuell 1,5 Mio. Hektar Land befallen, in Äthiopien über 1 Mio. und in Kenia 1,5 Mio. Hektar – neben Anbauflächen und Weideland auch Schutzgebiete, Uferzonen und Feuchtgebiete.

Prosopis juliflora kann pro Jahr hunderttausende langlebige Samen produzieren, die sich über Verkehrswege, Wasserläufe und Überschwemmungen verbreiten. Auch Viehrouten der Pastoralisten und Wildtierkorridore spielen eine wichtige Rolle, da Vieh und Wildtiere die zuckerhaltigen Hülsenfrüchte des Prosopis-Baums fressen und die Samen auf ihrem Weg wieder ausscheiden.

Sie sprechen die wirtschaftlichen Folgen an.

Ja, denn es geht hier um erhebliche ökonomische Belastungen für die betroffenen ländlichen Haushalte und Gemeinschaften. Auf nationaler Ebene werden die Kosten der Prosopis-Invasion in Äthiopien derzeit auf jährlich 6 Millionen USD geschätzt, mit einer Prognose, dass dieser Betrag in 30 Jahren auf 75 Millionen USD ansteigen könnte, wenn keine Gegenmassnahmen ergriffen werden. In Tansania wird im selben Zeitraum mit Kosten von 100 Millionen und in Kenia sogar 175 Millionen USD pro Jahr gerechnet.

Prosopis invasion near Bogoria, Kenya
Prosopis-Invasion in der Nähe von Bogoria, Kenia, erschwert den Zugang zu Wasser. Foto: Urs Schaffner

________________________________________________________________________________

«Manchmal empfehlen internationale Organisationen noch heute die Aufforstung mit Prosopis»

________________________________________________________________________________

Wieso hat man nicht eher reagiert?

Die lokale Bevölkerung schätzt bei der Einführung von Prosopis die Vorteile des Baums. Erst wenn die negativen Folgen sichtbar werden, steigt das Bewusstsein für die Problematik. Dann ist es jedoch oft bereits zu spät, um die Pflanze wieder loszuwerden. Zudem gehen – wie erwähnt – je nach Gruppe die Meinungen darüber auseinander, wie dringlich und nötig es ist, Prosopis zu managen. Das erschwert effektive Massnahmen.

Und leider wird diese Verwirrung manchmal von internationalen Organisationen verstärkt, die Prosopis zur Bindung von CO2 empfehlen. Dabei wird übersehen, dass gesunde Graslandschaften und Savannen fast genauso viel CO2 speichern wie Wälder – und darüber hinaus Ökosysteme mit hoher Biodiversität darstellen, die wichtige Leistungen erbringen.

______________________________________________________

«Eine Ausrottung ist nahezu unmöglich»

______________________________________________________

Gibt es überhaupt Möglichkeiten, Prosopis in Ostafrika wieder loszuwerden?

Eine Ausrottung ist in Gebieten, die stark befallen sind, nahezu unmöglich. Daher geht es um die Frage, wie sich Prosopis managen lässt. Unsere Forschung hat gezeigt, dass drei Hauptziele verfolgt werden sollten. Erstens die Prävention, also verhindern, dass die Art in neue Gebiete eingeschleppt wird. Zweitens müssen Gebiete, in denen Prosopis nur vereinzelt vorkommt, systematisch beobachtet und Schösslinge sofort entfernt werden. Und drittens die Kontrolle: Hier gilt es, die Ausbreitung an den Rändern von stark befallenen Regionen zu stoppen und wichtige Ressourcen wie Quellen, Wasserlöcher, etc. sowie Infrastrukturen zu schützen.

Das tönt recht einfach…

In Wirklichkeit ist das Management von Prosopis sehr komplex. Eine Präventivmassnahme, die tatsächlich relativ einfach umzusetzen wäre, ist zum Beispiel, das Vieh auf seiner Wanderroute in Quarantäne zu stellen, damit es alle Prosopis-Samen ausscheidet, bevor es in ein Gebiet weiterzieht, das noch nicht befallen ist. Die Schwierigkeit liegt aber darin, dass in Gebieten, wo noch kein Problem mit Prosopis besteht, die Menschen die Bedeutung von Präventionsmassnahmen nicht realisieren.

_____________________________________________________________________________________

«Expert*innen sind der Ansicht, dass sich die weitere Ausbreitung stoppen lässt»

_____________________________________________________________________________________

Trotzdem beruht der von der Forschung vorgeschlagene Weg vor allem darin, die weitere Ausbreitung zu stoppen?

Ja, es gibt verschiedene Techniken, um das zu erreichen: Für kleinere Flächen kann man Prosopis mechanisch entfernen. Das ist sehr arbeitsintensiv, weil der Wurzelstock bis in eine Tiefe von 50 Zentimeter entfernt werden muss.

Elimination of Prosopis trees
Mitglieder der lokalen Gemeinschaft entfernen Prosopis im Lake Bogoria National Reserve, Kenia. Die Arbeit dauert bis zu drei Stunden pro Baum. Foto: Albrecht Ehrensperger


Bei grösseren Gebieten und unter bestimmten Voraussetzungen kann man mit Bulldozern arbeiten. Das funktioniert aber nur, wenn auf der gesäuberten Fläche sofort wieder Kulturpflanzen angebaut oder Gras gesät wird – und neue Schösslinge systematisch entfernt werden. Auch eine Behandlung mit Chemikalien ist möglich. Diese Techniken haben wir in einem kleinen Handbuch beschrieben. Bei sehr grossen Flächen sind Expert*innen aber der Ansicht, dass nur die biologische Kontrolle eine effektive Lösung bietet.

Das heisst?

Dass natürliche Feinde von Prosopis ausgesetzt werden. Versuche in Südafrika und Australien haben gezeigt, dass so zwar keine vollständige Ausrottung möglich ist, die Ausbreitung der Pflanze sich aber erfolgreich und vor allem sehr kostengünstig stoppen lässt.

Zum Preis, dass man den Teufel mit dem Beelzebub austreibt und sich ein neues Problem einhandelt?

Heutzutage sind die Tests äusserst rigoros und müssen aufzeigen, dass die eingesetzten Organismen – meist Insekten – hoch spezialisiert sind und lieber sterben, als eine andere Pflanzenart anzugreifen.

___________________________________________________________________________________

«Eine Studie zum Wasserverbrauch von Prosopis schlug ein wie der Blitz»

___________________________________________________________________________________

Wie haben die betroffenen Länder die Forschungsresultate aufgenommen?

Die Arbeit von Hailu Shiferaw, einem äthiopischen Doktoranden, über den enormen Wasserverbrauch von Prosopis, schlug in betroffenen Gebieten in Kenia wie ein Blitz ein. Lokale Behörden alarmierten daraufhin die nationale Regierung.

Parallel dazu hat Urs Schaffner, Projektkoordinator von CABI Schweiz, die Ergebnisse laufend auf nationaler Ebene eingespeist, wodurch dort das Bewusstsein geweckt und zum Handeln angeregt wurde. Schliesslich hat das kenianische Kabinett eine nationale Prosopis-Strategie verabschiedet, die zuvor mit Projektpartnern erarbeitet wurde. Auch die nationale Strategie Tansanias zu invasiven Arten wurde massgeblich durch unser Projekt beeinflusst und von Projektpartnern mitgestaltet.

planning
Kartieren von Management-Zielen mit der Umsetzungsgruppe in Baringo, Kenia. Foto: Albrecht Ehrensperger


Und wie wird die Strategie nun konkret vor Ort umgesetzt?

In Kenia haben wir in drei Bezirken – zusammen grösser als die Schweiz – untersucht, wie das funktionieren kann. Mit Umsetzungsgruppen, in denen verschiedene lokale Interessensgruppen vertreten sind, haben wir Prosopis-Managementpläne entwickelt, die von den Behörden in den drei Bezirken in die offizielle Planung integriert wurden. Somit können sie auf nationaler Ebene ein Budget für die Bekämpfung von Prosopis beantragen.

_____________________________________________________

«Pilotaktionen brachten bedeutende Erfolge»

_____________________________________________________

Gleichzeitig wurden Pilotaktionen durchgeführt, die zu bedeutenden Erfolgen führten. So gelang es zum Beispiel, in der Lake Bogoria National Reserve alle Prosopis-Bäume zu entfernen, wo sie wegen ihren langen Dornen eine tödliche Falle für Flamingos dargestellt hatten.

Die Resultate wurden schon in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht. Jetzt kommt noch ein Buch dazu. Wofür?

Es gibt in der Tat eine reiche Forschungsliteratur zu Prosopis. Allein im «Woody Weeds»-Projekt wurden acht Doktorarbeiten geschrieben. Dieses Wissen ist aber in einzelnen Artikeln in verschiedenen Zeitschriften verstreut. Für Entscheidungsträger*innen und Leute aus der Praxis ist der Zugriff auf diese Art von Literatur oft schwierig. Zudem führt das Buch die Erfahrungen und Erkenntnisse aus sieben Jahren Forschung integriert zusammen und zeigt auf verständliche Art die Verbindung von Forschung und Umsetzung auf.

Das Buch

Urs Schaffner, Brian W. van Wilgen, Albrecht Ehrensperger, Ketema Bekele (Hrsg.): The Ecology and Management of Invasive Prosopis Trees in Eastern Africa, CABI Invasive Series, 2025