Wissenschaft durch die Linse

Unsere Online-Wechselausstellung zeigt Bilder aus Forschungsaufenthalten, Illustrationen über eine wenig bekannte Realität der Wissenschaft oder Videos – immer mit Bezug zu einer kleinen Geschichte über Nachhaltigkeit und nachhaltige Entwicklung. Zur Zeit:

Jhum in den Bergen der Naga Myanmars

Wanderfeldbau – lokal als Jhum bekannt – wird vom indigenen Volk der Naga in den Bergen im Nordwesten Myanmars praktiziert und ist mehr als nur Landwirtschaft. Obwohl Jhum oft als Ursache für Entwaldung und CO2-Emissionen missverstanden wird, zeigt die Forschung: Es handelt sich um eine nachhaltige Praxis, die Gemeinschaften und Ökosysteme unterstützt und als kulturelles Erbe anerkannt und geschützt werden sollte.
(Alle Bilder wurden vor dem Putsch im Jahr 2021 aufgenommen).

Jhum patches
Je nach Zustand des brachliegenden Walds und der Bodenqualität werden bestimmte Flächen für Jhum ausgewählt und kontrolliert abgebrannt. Foto: Philipp Eyer
Jhum cultivation with around 135 crop species in one plot
Jhum-Anbau mit rund 135 Pflanzenarten auf einer Parzelle. Foto: Lin Bo Jian

Die Bedeutung der Brachezeit

Jhum ist ein agroforstwirtschaftliches System, das auf Landrotation und Regeneration beruht. Lange Brachezeiten (mehr als sieben Jahre) sind bei wechselnden Anbauzyklen unerlässlich, um die Bodenfruchtbarkeit und die langfristige Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Ohne eine ausreichende Brachezeit kann sich der Boden nicht erholen und das Land degradiert. Richtig umgesetzt, erneuert die Brache nicht nur den Nährstoffgehalt des Bodens, sondern fördert auch die Artenvielfalt, indem sie Lebensräume für verschiedene Pflanzen- und Tierarten schafft.

Für die Naga ist die Brache ein integraler Bestandteil ihrer landwirtschaftlichen Praktiken, die die Nutzung der Ressourcen mit der Notwendigkeit in Einklang bringen, das Land für künftige Generationen zu erhalten. Die Brache ist daher nicht nur eine landwirtschaftliche Technik, sondern Spiegelbild eines nachhaltigen Ansatzes der Landbewirtschaftung und des kulturellen Respekts für die Umwelt.

Controlled burning
Die Saison für die Brandrodung dauert von Ende März bis Ende April. Foto: Philipp Eyer
grazing livestock
Jhum-Brachen werden auch als Weideflächen für das Vieh genutzt, was zur Düngung des Bodens und zur Verbesserung der Vegetation beiträgt. Foto: Philipp Eyer

Land für alle Dorfbewohner*innen

Das traditionelle System der Naga sichert den Mitgliedern der Gemeinschaft den Zugang zu Land und dessen produktive Nutzung. Alles Land wird gemeinsam genutzt und verwaltet. Haushalte, die Land brauchen – inklusive Neuankömmlinge und Menschen, die durch Konflikte oder Naturkatastrophen vertrieben wurden – erhalten jährlich Land zugewiesen, um es zu bewirtschaften.

Land ist unveräusserlich und kann nicht an private Unternehmen oder Personen, die ausserhalb des Dorfes leben, verkauft werden. Innerhalb der Dorfgrenzen verwalten traditionelle Institutionen das Land. Wie es gemanagt wird, entscheidet die Gemeinschaft.

Fuelwood for cooking
Die Dorfbewohner*innen können Brennholz für den Hausgebrauch sammeln. Foto: Philipp Eyer
Community work on a Jhum field
Gemeinschaftsarbeit auf einem Jhum-Feld. Foto: Philipp Eyer
Granaries, where households store their grains
Getreidespeicher, in denen die Dorfbewohnenden ihre Ernte lagern. Foto: Philipp Eyer

Mehr als Landwirtschaft

Die Naga sind tief mit ihrem Land verwurzelt. In ihrem Verständnis müssen Mensch und Natur im Gleichgewicht sein. Deshalb ist ihre Kultur eng mit der Umwelt verknüpft. Athong Makury, Direktor der lokalen Organisation Resource Rights for the Indigenous Peoples (RRtIP), sagt: «Wenn man unsere Kultur und Traditionen zerstört, zerstört man auch unsere Wildtiere, Wälder, Flüsse und Berge – und umgekehrt.»

Villagers returning from town, where they sold jhum crops
Dorfbewohnerinnen, die aus der Stadt zurückkehren, wo sie ihre Feldfrüchte verkauft haben. Foto: Lin Bo Jian
Monoliths
Monolithen erinnern an besondere Ereignisse und erreichte Leistungen. Foto: Philipp Eyer
Traditional weaving
Traditionelle Weberei mit Baumwolle, die auf Jhum-Feldern gepflückt und mit natürlichen Farbstoffen gefärbt wurde. Foto: Philipp Eyer
Feast of honour for the herders
Fest zu Ehren der Hirten. Foto: Philipp Eyer
Fishermen
Traditioneller Fischfang der Naga. Foto: Lin Bo Jian

Rotation, nicht Entwaldung

Standardmethoden, die auf Satellitenbildern basieren, berücksichtigen nur die Bodenbedeckung, nicht aber die Landnutzungssysteme. Das hat den Nachteil, dass brachliegende Flächen wie in der Naga-Region, auf denen nach fünf bis sieben Jahren Sekundärwald nachgewachsen ist, einfach als «Wald» erkannt und klassifiziert werden. Schaut man sich diese Flächen nach 10 oder 15 Jahren wieder an, zeigen die Satellitenbilder, dass diese Flächen (wieder) landwirtschaftlich genutzt werden. Das wird dann oft fälschlicherweise als Entwaldung interpretiert, obwohl es sich um Regenerationsflächen des Wanderfeldbaus handelt.

In Zusammenarbeit mit der lokalen indigenen Organisation RRtIP hat das CDE den Wanderfeldbau und indigene Landmanagementsysteme in den Naga Hills in Myanmar untersucht.

Methodik

Um die räumliche Dynamik im Laufe der Zeit zu analysieren, nutzten die Forschenden Google Earth Engine, um anhand von Satellitendaten das spezifische räumlich-zeitliche Muster der Rodungen, die im Zusammenhang mit Jhum stehen, sowie die Zunahme der Biomasse während der Brachezeit zu bestimmen. Für die Analyse der Naga-Region in Myanmar wurden alle hochauflösenden Landsat-Satellitenbilder, die von 1987 bis 2020 archiviert wurden, durchsucht und wolkenfreie Bilder für die Trockenzeit erstellt – die Zeit, in der alte Parzellen gerodet und für den Anbau vorbereitet werden.

Die Bildserien aus der Trockenzeit wurden auf Veränderungen in der spektralen Information untersucht, auf der Vegetationsindizes wie der Normalized Difference Vegetation Index (NDVI) basieren. Dieser gibt Auskunft über die Dichte der Vegetationsdecke. Mit Hilfe von Algorithmen, die sich auf bestimmte Muster des Wanderfeldbaus konzentrieren, wie z.B. die Ab- und Zunahme der Biomasse, können Lichtungen erkannt werden, die auf Wanderfeldbau zurückzuführen sind. Daraus lässt sich die Dauer der Brache ableiten.

Die durchschnittliche Brachezeit für die rund 90’000 Hektar Land, die in den untersuchten Naga-Gebieten für den Wanderfeldbau genutzt werden, beträgt 13 Jahre. Ein genauerer Blick auf die Jhum-Rodungen zeigt, dass die Parzellen rotieren – und auch deutlich, dass sie nicht in Waldgebiete hineinreichen.

Kurz gesagt

Die Forschungsergebnisse zeigen, dass es sich in den Naga-Gebieten weder um Entwaldung noch um «unberührtes» Land handelt, sondern um ein agroforstwirtschaftliches System, das auf Fruchtfolge beruht.

Satellitenbilder 1987-2023