Bei der internationalen Zusammenarbeit geht’s ans Eingemachte

Episode 3, Staffel #1

Sabin Bieri

Patricia Danzi ist derzeit nicht zu beneiden. Die Chefin der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA ist häufig im Bundeshaus anzutreffen. Der Bundesrat hat die Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit (IZA-Strategie), einschliesslich deren Finanzrahmen, abgesegnet, ebenso die beiden aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments.

Die Finanzkommission des Nationalrats will allerdings eine zusätzliche Milliarde von der IZA an die Armee abzweigen. In der bevorstehenden Budgetdebatte der Wintersession wird es zum Schlagabtausch kommen. Statt dass die DEZA-Direktorin sich um ihr Kerngeschäft, nämlich um die Umsetzung der Ziele in der erwähnten Vierjahresstrategie kümmern kann, muss sie diese in der Wandelhalle verteidigen. Gelingt ihr das nicht, droht ein drastischer Schnitt. Das Budget der Entwicklungszusammenarbeit würde in einer Grössenordnung reduziert, die die neue Strategie grundsätzlich in Frage stellt.

Bundeshaus Bern
Bundeshaus in Bern. Foto: Diego Grandi, shutterstock


Der Bundeshaushalt sei aus dem Lot, der Bund gebe zu viel Geld aus, heisst es seitens der Mehrheitsparteien. Sparen ist zum primären politischen Ziel erhoben, die Schuldenbremse zur «besten Freundin der Finanzministerin» ernannt worden. Das Spardogma im Bundeshaus wirkt sich immer öfter auf die internationale Zusammenarbeit aus: Die Finanzierung der Schweizer Verpflichtungen zur Einhaltung der Pariser Klimaziele? – Sie wird hauptsächlich aus Entwicklungsgeldern alimentiert. Die Beiträge der Schweiz für die Wiederaufbauhilfe in der Ukraine? – Trotz überwältigender Mehrheit der Voten aus der Vernehmlassung zur IZA-Strategie, die die Mittelverschiebung ablehnten, hält der Bundesrat an seinem Vorhaben fest. Die Gelder, die für die ärmsten Länder vorgesehen sind, werden zu Gunsten der Schweizer Unterstützung für die Ukraine reduziert. Sogar für die Finanzierung der 13. AHV brachte eine Partei die Entwicklungsgelder ins Spiel. Und jetzt noch die Armee. Die Milliarden, die ins Armeebudget verschoben werden, sollen unter anderem durch weitere Kürzungen bei der IZA aufgebracht werden.

Vorstösse gegen die IZA sind nicht neu. Bei einem Bundesbudget, in dem zwei Drittel der Ausgaben durch gesetzliche Vorgaben gebunden sind, schrumpft die Manövriermasse. Mit ihrer Wiederwahl vor Augen ist es für Parlamentarier*innen leichter, bei der Entwicklungszusammenarbeit anzusetzen als bei der Landwirtschaft oder der Standortförderung. Seit dem Angriffskrieg in Europa sind Mehrausgaben für die Armee praktisch unantastbar geworden. Lineare Kürzungen – obwohl beim Parlament beliebt – sind bei der gegenwärtig diskutierten Grössenordnung jedoch nicht möglich. Bei der IZA geht es jetzt ans Eingemachte: die Streichung von ganzen Programmen, Partnerländern oder Schwerpunkten.

Kaum ein anderes Politikfeld wird so persistent auf seine Wirksamkeit hin beobachtet

Doch wie schneidet die IZA überhaupt ab? Worin besteht die Investition, die die Schweiz mit ihrem internationalen Engagement für nachhaltige Entwicklung tätigt? Und – ebenfalls stets ins Spiel gebracht: Wie gut «wirkt» die IZA der Schweiz? Die Wirkung, beziehungsweise deren Mangelhaftigkeit, wird häufig vorgebracht, um den Sparhebel bei der IZA zu rechtfertigen. Nun gibt es aber kaum ein Politikfeld, das so persistent auf seine Wirksamkeit hin beobachtet wird, wie die IZA.

Die wissenschaftlichen Wirkungsstudien zeigen, dass die Schweizer IZA sehr gut wirkt. Im kürzlich erschienenen Rechenschaftsbericht des Bundes schneidet sie in vier von fünf Dimensionen hervorragend ab. Bei Fehlern wird nicht einfach die Dosis des Immergleichen erhöht, sondern Prozesse werden grundsätzlich neu entwickelt. Die moderne Zusammenarbeit macht ihrem Namen alle Ehre: Interventionen werden auf die Bedürfnisse der Empfänger*innen abgestimmt, diese bringen sich aktiv ein, und die Projekte bauen auf lokalem Wissen auf. Man arbeitet systemisch – das bedeutet, es werden nicht systemfremde Lösungen aus dem westlichen Kontext eingebracht, sondern die Frage geklärt, warum die bestehenden Systeme ihre Ziele nicht erreichen, für welche Bevölkerungsgruppen sie nicht funktionieren, und wie sie angepasst werden müssen.

Illustriert wird dies etwa an folgenden forschungsbasierten Entwicklungsprojekten, mitfinanziert von der DEZA und durchgeführt vom CDE gemeinsam mit weiteren Forschungsinstitutionen und lokalen Partnern.

Kritierien für grosse Landinvestitionen in Laos

Partizipative Kartierung von erschlossenen Konzessionsgebieten in Laos
Partizipative Kartierung von erschlossenen Konzessionsgebieten in der Provinz Khammouan, Laos. Foto: Vong Nanhthavong


In einem Fall geht es um grossflächige Landinvestitionen in Laos. Das südostasiatische Binnenland hat sein Wirtschaftswachstum über die letzten zwanzig Jahre hinweg konsequent gesteigert. Hintergrund ist aber nicht in erster Linie eine einheimische Wirtschaft, die Arbeitsplätze schafft, sondern der Ausverkauf von Ressourcen, namentlich Land und Wasser, an ausländische Investoren. In einer Untersuchung zeigten die Wissenschaftler*innen, dass die Mehrheit der Investitionen ihre Ziele – namentlich die Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung – nicht erreichten. Aufgrund dieser Erkenntnisse verhängte die laotische Regierung ein Moratorium für Landinvestitionen. Zwischenzeitlich entwickelten die Forschenden wissenschaftliche Kriterien für mehr Nachhaltigkeit, die künftig zum Standard bei Landinvestitionen werden sollen.

Ersparnisse von Landarbeiterinnen in Ruanda

Landarbeiterinnen in Ruanda
Landarbeiterinnen in Ruanda. Foto: Sabin Bieri


In Ruanda wiederum ergab eine Studie, dass Landarbeiterinnen nicht in erster Linie mehr Lohn verlangten, sondern Möglichkeiten vermissten, einen Teil ihrer Einkünfte zu sparen. Das Forschungsprojekt entwickelte daraufhin gemeinsam mit diesen Arbeiterinnen und ihren Arbeitgebern ein Konzept, wie sie bis zu 20 Prozent ihres Tageslohns zur Seite legen und später etwa in besseres Saatgut investieren konnten. Die Initiative ist so erfolgreich, dass sie mittlerweile durch die Regierung unterstützt und auf weitere Landesteile ausgeweitet worden ist. Eine der im Projekt ausgebildeten Doktorandinnen und nota bene eine der wenigen Frauen mit Doktortitel im ganzen Land, ist heute oberste Forschungsverantwortliche im Landwirtschaftsministerium. Sie fühlt sich der Schweiz nach wie vor immens verpflichtet. Auch wenn letzteres sich in gängigen Wirkungsstudien kaum ausweisen lässt: Die Wirkung dieses Projekts ist kaum zu überbieten.

Digitale Beratungsdienstleistungen für Kleinbauernfamilien

Kleinbäuerin erhält Einführung in digitale Tools
Kleinbäuerin erhält Einführung in digitale Tools. Foto: Benjamin Graeub, farmbetter


Im dritten Beispiel werden landwirtschaftliche Beratungsdienstleistungen via digitale Medien für über 50'000 Kleinbauernfamilien in Burkina Faso, Uganda, Tansania, Indien und Nepal auf ihre Wirksamkeit getestet. Diese Zielgruppe – die im Übrigen für zwei Drittel der globalen Ernährungsversorgung zuständig ist – ist besonders verletzlich, seit die Klimaerwärmung die Wetterverhältnisse derart verschiebt, dass die lokalen Kenntnisse für den erfolgreichen Anbau von Nahrungsmitteln entwertet werden. Viele Staaten haben ihre landwirtschaftlichen Beratungsdienstleistungen, nicht zuletzt auf Druck der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds zur Reduktion ihrer Schulden, massiv abgebaut. Die neuen, digitalen Dienstleistungen könnten hier zum Gamechanger werden, wie das Forschungsprojekt zeigt.

Manöver ins Abseits

Die Wirkung der IZA im Sinne schweizerischer Interessen ist keine kurzfristige Angelegenheit. Auf dem afrikanischen Kontinent mit seiner jungen Bevölkerung herrscht Aufbruchstimmung. Die Schweiz manövriert sich ins Abseits, wenn sie es verpasst, in den stark wachsenden afrikanischen Volkswirtschaften Partnerschaften und damit Verlässlichkeit und künftig Investitionsmöglichkeiten aufzubauen. Nicht zuletzt werden wir als alternde Gesellschaften über kurz oder lang auf Arbeitskräfte angewiesen sein, die unsere Infrastruktur erhalten, unsere Pflegebedürfnisse abdecken, und unsere Nahrungsmittel ernten. 

Mit dem jetzt geplanten Sparen auf Kosten der IZA-Gelder macht sich die Schweiz unglaubwürdig. Und sie verpasst die Chance, einen Beitrag zur globalen Sicherheit zu leisten. Aufstrebende Grossmächte, die ihren globalen Einfluss in den vielversprechenden Regionen gezielt ausbauen, werden dankbar in die Lücke springen.