Zwangsarbeitsfreie Lieferketten in der Schweiz

supply chain challenges
Foto: Ani Raw Shots / shutterstock


Kakao und Fisch sind Produkte, von deren Import die Schweiz in hohem Masse abhängig ist. Sie sind mit einem grossen Risiko von (Kinder-)Zwangsarbeit verbunden: Schätzungsweise 30'000 Erwachsene und Kinder sind in den Kakaoanbaugebieten der Elfenbeinküste und Ghana – den Hauptproduzenten von Schweizer Kakaoimporten – von Zwangsarbeit betroffen.

Die globalen Lieferketten für Fisch und Meeresfrüchte wiederum stützen sich häufig auf (Wander-)Arbeitskräfte aus dem globalen Süden, wobei viele Fischereiarbeiter unter unwürdigen Arbeitsbedingungen beschäftigt sind, die von Ausbeutung bis zu moderner Sklaverei reichen.

Die Bemühungen der EU und deren Auswirkungen

Von den Bemühungen der Europäischen Union, nachhaltige Lieferketten zu gewährleisten, ist die Verordnung über das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit auf dem Unionsmarkt (EUFLR) möglicherweise eines ihrer bahnbrechendsten Instrumente. Mit ihr plant die EU, Zwangsarbeit aus den Lieferketten zu verbannen, die ihren Markt versorgen.

Die vom Europäischen Parlament am 23. April 2024 verabschiedete Verordnung dürfte voraussichtlich auch erhebliche Auswirkungen auf die Schweiz haben: Schweizer Unternehmen und ihre Zulieferer werden nachweisen müssen, dass ihre Produkte ohne Zwangsarbeit (einschliesslich Kinderarbeit) hergestellt sind, wenn sie weiterhin aus der EU importieren und in die EU exportieren wollen.

Gleichzeitig wird sich die Verordnung auf Lieferant*innen aus dem globalen Süden auswirken. Die Befürchtungen, dass sie vom Markt ausgeschlossen werden könnten, sind denen ähnlich, die im Zusammenhang mit der kürzlich verabschiedeten Entwaldungsverordnung der EU (EUDR) geäussert wurden.

Wissenslücke schliessen

Trotz potenziell enormer Auswirkungen auf alle Stakeholder, insbesondere auf besonders vulnerable Gruppen, wurde die Verordnung in der Schweiz bisher kaum diskutiert. Deshalb ist es wichtig, deren Ausmasse abschätzen und sicherstellen zu können, dass die Schweiz für die EUFLR bereit ist. Dafür braucht es eine Analyse des Potenzials öffentlicher und privater Gouvernanz-Initiativen, die eine faire und wirksame Umsetzung der EUFLR unterstützen – sowie rechtzeitige Diskussionen innerhalb des öffentlichen und privaten Sektors.

Ziel des Projekts

Übergeordnetes Ziel dieses Projekts ist, auf die Verwirklichung von Zwangsarbeitsfreien Lieferketten in und aus der Schweiz hinzuarbeiten. Es beabsichtigt, die Schweizer Kakao- und Fischereisektoren auf die neue EU-Verordnung bezüglich Produkten aus Zwangsarbeit vorzubereiten. Dabei soll das Fachwissen des CDE genutzt und lokale sowie internationale Stakeholder eingebunden werden. Gleichzeitig werden Stakeholder-Dialoge an der Schnittstelle zwischen privatem und öffentlichem Sektor der Schweiz gefördert.

canoa in Ghana
Fischerkanu in Ghana. Foto: Vanessa Jaiteh

Zielsetzung und Vorgehensweise

Vier miteinander verbundene Module gliedern das Projekt:

1) Wissensgrundlagen schaffen

In der ersten Phase wird ein umfassendes Verständnis des aktuellen Umgangs mit Zwangsarbeit im öffentlichen und privaten Sektor entwickelt, wobei der Schwerpunkt auf der Schweiz liegt. Auf der Grundlage von Experteninterviews, wissenschaftlicher und grauer Literatur sowie Daten zu Nachhaltigkeitsstandards liefert dieses Modul die Wissensbasis für die nachfolgenden Workshop-Diskussionen, Outreach-Aktivitäten und Wissensprodukte, die in späteren Modulen erarbeitet werden.

2) Gegenseitiges Lernen fördern

In diesem Modul führt das Forschungsteam einen internen Workshop durch, um Lehren aus der Rolle des CDE als Wissensvermittlerin in der Politik sowie bei der Einbindung von Stakeholdern zu ziehen. Zudem sollen Erkenntnisse aus anderen, laufenden Projekten am CDE zur Rolle öffentlicher und privater Nachhaltigkeitsinitiativen bei der Regulierung von Lieferketten konsolidiert werden.

3) Austausch mit Stakeholdern

Diese Phase umfasst einen Stakeholder-Austausch in der Schweiz, Gespräche mit Produzent*innen in den Zulieferländern sowie die Einbindung in laufende politische Prozesse, die in Modul 1 identifiziert wurden. Ziel ist es, Wege zu finden, um zwangsarbeitsfreie Lieferketten in der Schweiz zu fördern, einzuführen und voranzutreiben.

4) Vorbereitung fördern

Die Einsichten der Module 1-3 bilden die Grundlage für die weitere Diskussion mit nationalen und internationalen Akteuren, der akademischen Gemeinschaft und der breiteren Öffentlichkeit. Die Projektergebnisse werden in Form von Wissensprodukten an die Studienteilnehmenden und andere Stakeholder, inklusive Behörden sowie Akteure des Privatsektors und der Zivilgesellschaft, weitergegeben und verbreitet.

Infobox
Dauer Januar – Dezember 2024
Finanzierung CDE
Kontakt Dr. Gabi Sonderegger

Dr. Maurice Tschopp

Dr. Vanessa Jaiteh