Gouvernanz-Prozesse und Auswirkungen der Rohstoffindustrie in Madagaskar

Unmittelbare Auswirkungen einer Erzmine in Madagaskar. Foto: shutterstock.com/Roel Slootweg


Die Rohstoffindustrie hat in den letzten Jahrzehnten weltweit expandiert. Die Investitionsentscheide werden meist von Unternehmen in den Industriestaaten gefällt. Der Schwerpunkt des Bergbaus hat sich hingegen auf Schwellen- und Entwicklungsländer verlagert. So auch auf Madagaskar, wo derzeit rund 30 Grossprojekte zur Rohstoffgewinnung am Laufen sind – in Gebieten, die traditionellerweise von Subsistenzbäuerinnen und Viehhirten bewirtschaftet werden.

Wirtschaftlicher Aufschwung – zu welchem Preis?

Zwar versprechen umfangreiche Investitionen in den Bergbau auf nationaler Ebene jeweils einen wirtschaftlichen Aufschwung. Die negativen Auswirkungen auf Umwelt, Bevölkerung und die lokale Wirtschaft werden dabei jedoch oft ausgeblendet.

Von den grossen Metall-Bergwerken der Welt zum Beispiel befinden sich rund ein Drittel innerhalb oder in einem Umkreis von 10 km von Naturschutzgebieten. Während die Folgen für Wasser, Böden und Luft weitreichend sind, konzentrieren sich die meisten Studien nur auf den Artenschwund am unmittelbaren Standort von Bergwerken.

«Industrielle» Landnutzung zieht soziale Probleme nach sich

Studien belegen auch, dass die Umsiedlung von Dorfgemeinschaften zugunsten eines Bergbauprojekts schwere soziale Folgen zeitigen kann: vom Verlust der Lebensgrundlage über Marginalisierung bis zu Gesundheitsproblemen. Hinzu kommt, dass Grossprojekte Arbeitsmigrant*innen anziehen. Die damit verbundene Urbanisierung («frontier urbanization») hat eine potenziell destabilisierende Wirkung auf lokale gesellschaftliche und politische Prozesse.

Sozial- und Umweltverträglichkeitsprüfungen mit Defiziten

Als Reaktion auf diese Nachhaltigkeitsbedenken verlangen heute praktisch alle Länder von Investoren eine Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung. Trotz mehrerer internationaler Standards bleiben zahlreiche Probleme ungelöst. Dazu zählen:

  • Mangel an Klarheit, welche Rolle solche Prüfungen im Genehmigungsverfahren spielen;
  • Schwachpunkte bei den Verfahren, einschliesslich des wirksamen Einbezugs der betroffenen lokalen Gemeinschaften;
  • Fehlen geeigneter Mechanismen, um die Prozesse zu monitorieren, um- und durchzusetzen.

Fünf grosse, bereits laufende oder geplante Bergbauprojekte mit internationalen Investitionen: Sie sind mögliche Untersuchungsregionen des Projekts.

Die Rohstoffindustrie und die Agenda 2030

In Madagaskar, einem der globalen Biodiversitäts-Hotspots, haben die Probleme, die mit der Rohstoffindustrie einhergehen, in den letzten beiden Jahrzehnten vermehrt zu politischen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen geführt.

Gefragt sind deshalb konkrete Lösungen, wie sich internationale Investitionen in grosse Bergbauprojekte nachhaltiger gestalten lassen.

Wissenschaftliches und praktisches Wissen für Veränderungen

Entsprechend verfolgt das Forschungsprojekt «Gouvernanz-Prozesse und Auswirkungen der Rohstoffindustrie in Madagaskar» dieses Hauptziel: wissenschaftliches und praktisches Transformations-Wissen zu erarbeiten, damit Grossinvestitionen in den Bergbau in Madagaskar und anderen Entwicklungsländern nachhaltiger werden.

Das Projekt will dies erreichen, indem es folgende Forschungsfragen beantwortet:

  1. Welches sind in Madagaskar der rechtliche und verfahrenstechnische Rahmen für die Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen in der Rohstoffindustrie? Wie lässt sich dieser Rahmen auf politischer Ebene stärken?
  2. Welche Rolle spielen dabei die Entscheidungs- und Machtverhältnisse der verschiedenen Interessensgruppen?
  3. Welches sind die räumlichen und gesellschaftlich relevanten Folgen von Grossinvestitionen im Bergbau auf die sozialen und ökologischen Strukturen – sowohl auf dem Land wie in den Städten?
  4. Wie kann man die Prozesse rund um Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen verbessern – so dass Grossinvestitionen im Rohstoffsektor nachhaltiger werden?
Bauern beim Pflügen der Reisfelder mit Zebu-Rindern im Hochland Madagaskars. Foto: Julie Zähringer

Ansatz und Methoden

Das transdisziplinäre Projekt arbeitet mit folgenden Methoden:

  • Analyse von Satellitenbildern, um Landnutzungsänderungen in der Umgebung von Bergbauprojekten zu identifizieren,
  • Analyse sozialer Netzwerke, um die Interaktionen zwischen den verschiedenen beteiligten Akteur*innen zu entschlüsseln,
  • Interviews und Umfragen mit Landnutzenden, Viehhirten sowie anderen lokalen Akteuren – etwa der Polizei und privaten Sicherheitsleuten, um beispielsweise die «frontier urbanziation» zu untersuchen.
Interview mit einem Viehbesitzer im Hochland Madagaskars. Foto: Perrine Burnod